Vorbereitung des Auslandsaufenthalts
Im Rahmen des Erasmus+ Programms habe ich vom Hasso-Plattner-Institut in Potsdam aus zwei Semester an der Télécom Paris verbracht. Dieser Bericht spiegelt die Situation im akademischen Jahr 2024/25 wider.
Die Bewerbung an Télécom ParisTech ist aus persönlicher Sicht recht aufwändig, auch wenn die bereitgestellten Erklärungen und Leitfäden des International Office als gute Orientierung dienen und angemessen detailliert sind. Neben den offiziellen Bewerbungsformularen, einem Motivationsschreiben und einem Sprachnachweis in Französisch werden zwei Empfehlungsschreiben von Dozenten der Heimatuniversität verlangt. Dies mag auf den ersten Blick abschreckend wirken, in der Regel sind Dozenten aber durchaus gewillt, Empfehlungsschreiben auszustellen, falls man rechtzeitig mit ihnen in Kontakt tritt. Persönlich habe ich noch ein drittes Empfehlungsschreiben von meiner ehemaligen Französischdozentin, welches sich mehr auf die Sprachkompetenzen fokussiert hat, eingereicht. Für den weiteren Sprachnachweis habe ich ein Diplôme de Français des Affaires (DFP) mit Niveau B2 eingereicht. Dies hat nach Absprache mit der Gasthochschule auch den Anforderungen entsprochen, obwohl das DFP nicht teil der offiziellen Liste zum Sprachnachweris ist. Alternativ kann auch kostenfrei ein DAAD Zertifikat zum Sprachnachweis erworben werden. Formal wird für eine erfolgreiche Bewerbung zwar nur ein Niveau von A2 benötigt, jedoch würde ich ein Niveau von mindestens B1 empfehlen, falls Veranstaltungen in französischer Sprache belegt werden. Die Auswahl der Bewerber erfolgt ausschließlich auf Basis der eingereichten Dokumente. An der Heimatuni ist ebenfalls eine Bewerbung beim lokalen Erasmuskoordinator notwendig.
Meine Bewerbung an der Gasthochschule erfolgte zudem über eine andere Fakultät der Uni Potsdam, da diese für meine Vorstellungen Verbindungen mit geeigneteren Partneruniversitäten hatte, als die Fakultät, der mein Studiengang Data Science angehört. Für die Kontaktaufnahme mit der Gasthochschule nutzte ich sowohl die offiziellen Kanäle der Universität Potsdam als auch die Verbindung zum Hasso-Plattner-Institut (HPI), über deren Verbindungen ich meine Bewerbung richtete. Während meine Fakultät für Computational Science an der UP eine zentrale Ansprechpartnerin stellte, um alle Fragen rund um die bürokratischen Abläufe und Fristen aufseiten der Heimathochschule zu klären, stand mir am HPI eine zweite Ansprechpartnerin zur Verfügung, die mir spezifische Informationen zur Aufnahmebedingungen und Kurswahl an der Digital Engineering Fakultät lieferte. Auch wenn das Verfahren dadurch etwas komplexer wurde, halfen mir die engagierten Kolleginnen beider Fakultäten sehr dabei, alle Formulare fristgerecht und vollständig einzureichen. Aus meiner Erfahrung kann ich in diesem Zusammenhang Studierenden, die über eine andere Fakultät als ihre eigene Erasmus beantragen möchten, nur empfehlen, diesen Weg zu gehen, da die organisatorische Unterstützung den an sich etwas komplizierteren Prozess deutlich vereinfacht.
Studium an der Gastuniversität
Das Studiensystem an der Télécom und generell in Frankreich unterscheidet sich stark von der deutschen Hochschullandschaft durch seine stark strukturierte und verschulte Organisation. Nach der erfolgreichen Bewerbung wird ein Learning Agreement erstellt, wobei die verfügbaren Kurse über das Online-System Synapses, ähnlich wie das PULS-System, eingesehen werden können. Zur technischen Ausführung der Kurswahl steht ein sehr detaillierter Leitfaden der Uni Potsdam zur Verfügung. Das dreijährige Diplom ist wie folgt strukturiert: Das erste Jahr besteht aus Grundlagenveranstaltungen, hauptsächlich in Mathematik sowie je nach Wahl verscheidene Bereiche von Statistik und Physik, jedoch kaum Informatik. Das dritte Jahr besteht zur Hälfte aus Lehrveranstaltungen und zur anderen Hälfte aus einem praktischen Projekt bzw. Praktika. Aufgrunddessen werden Erasmus-Studierende unabhängig von ihrem tatsächlichen Fachsemester meist in das zweite Studienjahr integriert bzw wird dies empfohlen. Da die Lehrveranstaltungen im zweiten Jahr fachlich jedoch etwa auf dem Niveau des ersten bis zweiten Mastersemesters liegen, sollte jedoch auch die Eingliederung in das dritte akademische Jahr in Betracht gezogen werden. Neben den fachlich tiefer gehenden Veranstaltungen bieten das praktische Projekt bzw. die Praktika bessere akademische Möglichkeiten als die Veranstaltungen des zweiten Jahres.
Bei der Kurswahl empfiehlt es sich, dem System der „filières" zu folgen - thematische Tracks, die jeweils aus vier aufeinander aufbauenden Veranstaltungen pro Semester bestehen und gemeinsam belegt werden sollten. Es sollten und müssen teilweise zudem bei Aufenthalten von mehr als einem Semester die gleichen Filières gewählt werden, da diese thematisch aufeinander aufbauen. Mit der Belegung von zwei „filières" eine Grundlage von 20 ECTS durch fachliche Inhalte. Da jeder einzelne Kurs nur eine Periode (ein halbes Semester) dauert und typischerweise mit 2,5 ECTS bewertet wird, lassen sich die verbleibenden Credits durch Sprachkurse oder andere ergänzende Veranstaltungen auffüllen. Ein bis zwei Credits können beispielsweise durch Sportkurse erreicht werden. Werden. Die vonseiten der Uni Potsdam geforderten 30 ECTS vollständig belegt ist der Studienaufwand nach persönlichem Empfinden etwas höher als an der Uni Potsdam und es ist untypisch, vor allem für ausländische Studierende, eine derart hohe Anzahl an Veranstaltungen zu besuchen. Eine gewisse Flexibilität bei der Planung ist zudem ratsam, da beliebte Filières schnell ausgebucht sein können und spontane Anpassungen erforderlich werden. Dies ist vor allem der Fall bei der Filière MODS.
Die Lehrveranstaltungen sind überwiegend als klassische Vorlesungen mit zweimal aufeinanderfolgend 90 Minuten, konzipiert und werden durch „travaux dirigés" sowie „travaux pratiques" ergänzt. Diese sind je nach Modul bewertet und machen oft zwischen 15 und 30 Prozent der Gesamtnote aus. Einige Kurse sind als Gruppenprojekte organisiert, bei denen die Präsenzzeit hauptsächlich der Beratung mit Dozenten dient, während die eigentliche Arbeit autonom erfolgt. Die Leistungsbewertung erfolgt entweder über Klausuren am Ende jeder Periode oder durch die Abgabe mehrerer Projektberichte. Das ingenieurswissenschaftlich geprägte Studium mit seinem Fokus auf mathematische und physikalische Grundlagen kann anfangs überwältigend wirken, besonders wenn man aus einem eher softwareorientierten Umfeld kommt. Auch in sehr softwareorientierten Modulen liegt ein starker Fokus auf grundlegender Mathematik inklusive Beweisführung. Die entsprechenden Module sind oft für ausländische Studierende nur mit enormem Aufwand zu bestehen, da die Mathematik oft auf Veranstaltungen aus den „Préparation“ Kursen aufbaut, welche nur die französischen Studierenden abgelegt haben. Trotz der teilweise sehr frontalen Vorlesungsgestaltung herrscht eine angenehme und offene Atmosphäre zwischen Lehrenden und Studierenden. Dies steht im Kontrast zur ansonsten sehr hierarchischen Struktur zwischen Lehrenden und Studierenden an Französichen Hochschulen.
Das Sprachangebot der Universität ist vielfältig und deckt verschiedene Sprachen auf allen Niveaustufen ab. Studierende mit entsprechend hohem Sprachniveau von B2 bis C1 können themenspezifische Sprachkurse wie „Debating" oder „renforcer les compétences à l’oral/écrit" belegen, die deutlich ansprechender und lehrreicher sind als grundlegende Basissprachkurse. Die technische Ausstattung der Universität ist entsprechend des kürzlichen Umzugs der Universität an den Standort Plateau de Saclay sehr modern und neu. Die Bibliothek ist verhältnismäßig klein, jedoch für die Anzahl an Studierenden meist ausreichend und bietet neben Fachliteratur auch eine Bandbreite an Zeitungen, Romanen etc. Die Betreuung durch Verwaltungsmitarbeiter und Dozenten ist durchweg professionell und hilfsbereit. Vor allem in Bezug auf Studienorganisation sind die Wege sehr kurz und es wird sich Zeit für alle Studierenden genommen.
Kontakte zu einheimischen und internationalen Studierenden
Der Kontakt sowohl zu französischen als auch internationalen Studierenden gestaltet sich ungleich leichter als an der Uni Potsdam. Sowohl vonseiten der Studierenden(vertretung) als auch von Mitarbeitenden wird von Beginn an ein starker Fokus auf eine erfolgreiche Integration gelegt. Eine der einfachsten Möglichkeiten diebezüglich bilden die von der Studierendenvertretung, meist „bureau des èlèves“ sowie „buderau des élèves internationales“ und „bureau de sport“ organisierten Ausflüge, welche meist an Wochenenden über das Jahr verteilt stattfinden. Persönlich habe ich am ersten Wochenende, dem „week-end d’intégration“ teilgenommen und kann eine Teilnahme sehr empfehlen. Eine Vielzahl von Kontakten konnte somit bereits vor der ersten Lehrveranstaltung geschlossen werden. Es gibt weitere Wochenenden mit Aktivitäten wie Bergwandern, Segeln, Ski-Fahren etc. welche zudem alle seitens der Universität subventioniert werden und können somit zu sehr ansprechenden Preisen besucht werden. Es gibt zudem besonders verbilligte Tarife für Bafög-Studierende.
Ein weiterer Bestandteil sind die Studierendenassoziationen, welche themaisch gruppiert sind und ein breites Spektrum an Interessen wie Informatik, Sport, Gastronomie, Sozialengagement abdecken. Zudem finden wöchentlich jeden Mittwoch und Freitag in den Räumlichkeiten der Uni von Studierenden organisierte Parties statt. Eine weitere Möglichkeit bildet das ESN Erasmus-Netwzwerk, welches ebenfalls Parties und Veranstaltungen, vor allem in Paris und Umgebung, organisiert. Der Kontakt zu französischen Studierenden ist im Vergleich selbst mit einem sehr hohen französichen Sprachniveau auf Dauer tendenziell schwieriger, als mit internationalen Studierenden. Vor allem das Integrationswochenende hilft, im Speziellen mit französischen Studierenden in Kontakt zu kommen.
Wohn- und Lebenssituation
Eine Vielzahl von Einführungsveranstaltungen bereiten die Studierenden auf die Ankunft und das Leben auf dem Campus vor. Besonders die Infoveranstaltung zum Finden einer Unterkunft ist überaus hilfreich, da das entsprechende Angebot nicht sehr übersichtlich ist und es divergierende Erfahrungsberichte gibt.
Persönlich habe ich etwa zwei Monate vor Ankunft mit der Wohnungssuche begonnen, was sich bereits als relativ spät herausgestellt hat. Besonders ohne Zugang zum Crous, welcher vor allem an französische Studierende vergeben wird und finanziell erschwingliche Alternativen zu Mensa und Unterkünften anbietet, ist die Auswahl an Wohnraum stark begrenzt. Die Cité Uiversité Internationale bietet Unterkünfte in einem sehr guten Preis-Leistungs-Verhältnis an, jedoch ist die Anbindung zum Campus nicht optimal und dauert etwa 45 min. Persönlich habe ich mich für eine verhältnismäßig teure Option in unmittelbarer Nähe zur Uni entschieden. Grundsätzlich sind die Wohnmöglichkeiten außerhalb des Crous-Netzwerkes am Campus relativ teuer und bewegen sich je nach Wohnform (WG bzw. Einzelapartment) zwischen 650 und 850 Euro im Monat. Vor allem deshalb ist eine Beantragung des Französischen Wohngeldes CAF sehr ratsam, die finanzielle Unterstützung für die Miete, oft zwischen 100 und 200 Euro monatlich, bieten. Der Prozess lohnt sich also, auch wenn er langwierig und undurchsichtig ist und oft nur mit sehr guten Französischkenntnissen zu bewerkstelligen ist.
Das Universitätsgebäude befindet sich auf einem Campus mit mehreren anderen Universitäten außerhalb von Paris. Da der Umzug kürzlich erfolgt ist und der Nahverkehr noch nicht entsprechend ausgebaut ist, gelingt die Anbindung nach Paris nur mit einer Kombination aus Bus und Regionalzug und dauert etwa eine Stunde tagsüber und etwa 1,5 Stunden nachts. Da die studentischen Veranstaltungen praktisch alle auf dem Campus stattfinden, schränkt dies das studentische Leben kaum ein, jedoch ist der lange Fahrtweg durchaus ein Hindernis bei Frezeitaktivitäten im Zentrum von Paris.
Bei einer Aufenthaltsdauer von zwei Semestern lohnt sich die Jahreskarte des ÖPNV, mit dem alle Verkehrsmittel innerhalb der Île de France genutzt werden können. Diese ist etwas günstiger, als das deutsche Äquivalent des Semestertickets. Es gibt zudem vom Crous geführte Mensen, welche sowohl auf dem Campus als auch in Paris Standorte haben und Mahlzeiten für einen fixen Preis von drei Euro anbieten. Zudem gibt es eine etwas teurere und qualitativ bessere Mensa direkt im Uni-Gebäude. Grundsätzlich sind die Lebenshaltungskosten jedoch deutlich höher, als in Berlin/Brandenburg und Deutschland. Auf dem Campus befindet sich lediglich ein „Franprix“, ein kleiner Supermarkt mit verhältnismäßig sehr hohen Preisen. Auch andere, preiswertere Supermärkte wie Carrefour oder Intermarché sind deutlich teurer als deutsche Supermärkte. Dies gilt ebenfalls für praktisch alle Freizeitaktivitäten in Paris, weswegen die Lebenshaltungskosten, exklusive Miete, etwa 30% höher ausfallen als in Potsdam.
Studienfach: Data Science M.Sc
Aufenthaltsdauer: 09/2024 - 06/2025
Gastuniversität: Télécom Paris
Gastland: Frankreich
Rückblick
Insgesamt bewerte ich meinen Aufenthalt an der Télécom als überaus positiv. Besonders die extrem einfache Vernetzung mit anderen Studierenden und das studentische Leben sowie die Freizeitangebote sind nicht mit deutschen Universitäten zu vergleichen und positiv hervorzuheben. Daneben tragen die aufgrund der geringen Anzahl an Studierenden hohe Betreuungsdichte und das angenehme Verhältnis, sowohl zu den Verwaltungsmitarbeitern als auch einigen Dozenten zu einem angenehmen Studienerlebnis bei. Zuletzt bilden die qualitativ sehr hochwertigen und thematisch diversen Sprachkurse die Möglichkeit, sich sprachlich gut weiterzuentwickeln und Kontakte mit Studierenden zu knüpfen.
Fachlich sind aus meiner perspektive allerdings die Kurse an der Uni Potsdam deutlich hochwertiger. Nicht nur aufgrund des Umstandes, dass ich einige Inhalte teilweise bereits gehört habe, ist der Erkenntnisgweinn in einigen Kursen minimal. Der starke Fokus auf theoretische mathematische Inhalte trägt zudem wenig zur praktischen Wissensbildung bei und ist besonders für internationale Studierende ohne entsprechende Vorkenntnisse eine Hürde. Zudem kann aufgrund der kurzen Zeiträume von nur je etwa 7 Wochen pro Modul kaum inhaltliche Tiefe erreicht werden. In diesem Zusammenhang ist sehr zu empfehlen, über einen Einstieg in das dritte akademische Jahr nachzudenken, da der Lernaufwand geringer und der akademische Erkenntnisgewinn aufgrund des Forschungsprojektes höher ist.