Nachhaltig fliegen
Diese Verfahren sind nicht nur wissenschaftlich erprobt, sondern auch „produktionsreif“ und werden bereits von Firmen kommerzialisiert. In Schweden etwa entstehen derzeit größere Bioreaktoren für genau diese Art von Treibstofferzeugung. Die Methode hat den Charme, dass sie vorhandenes CO₂ bindet, damit die Cyanobakterien wachsen können. Dieses Kohlenstoffdioxid kann aus der Atmosphäre oder aus Verbrennungsvorgängen stammen. Ob unser Treibstoff der Zukunft tatsächlich emissionsneutral sein wird, hängt deshalb auch von der Zusammensetzung des zugeführten Kohlenstoffs ab.
Denn damit das Fliegen nachhaltiger werden kann, benötigen wir extrem viel Isopren und Wasserstoff. Die Vorgänge in den prototypischen Labortanks müssen deshalb von Volumen im unteren Literbereich auf industrielle Maßstäbe skaliert werden. Und hier kommt die Biotechnologie ins Spiel, denn dafür müssen wir den Stoffwechsel der Bakterien und Algen so modifizieren, dass sie ein Vielfaches der benötigten Substanzen generieren. Durch unsere Computermodelle dieser Organismen können wir ziemlich genau ermitteln, an welchen enzymatischen Stellschrauben dabei gedreht werden sollte, ohne dass andere Stoffwechselvorgänge darunter leiden und vielleicht neue Probleme auftreten. Indem wir uns auf Proteine fokussieren, die wir „Transkriptionsfaktoren“ nennen und die den Enzymen in der Reaktionskette vorgelagert sind, erhalten wir die Kontrolle über eine Vielzahl von nachgelagerten Stoffwechselvorgängen.
Die Industrie würde dadurch unabhängiger von den Limitationen natürlicher Organismen. Wenn ich ein Enzym benötige, muss ich es herkömmlicherweise meist aus einer existierenden Lebensform gewinnen, beispielsweise einer Pflanze. Aber warum das Enzym nicht selbst entwerfen und neuartige Chemikalien herstellen? Auf die Verwirklichung dieses Traums arbeiten viele Forscher*innen hin, und technisch ist das ohne Weiteres längst möglich. Im Labor lassen sich Enzyme in speziellen Umgebungen durch gezielten Selektionsdruck in ihrer Leistung optimieren. Ein weitaus synthetischerer Ansatz: aus einem Katalog bestimmte Enzyme herauszufiltern und die an ihnen beteiligten Aminosäuren so zu verändern, dass das optimierte Enzym in einem Modellorganismus genau in der richtigen Art und Weise wirkt.
Algenfarmen auf dem Meer
Wenn ich könnte, würde ich die mit diesen Organismen kultivierten Algenfarmen an unbewohnten Küstenabschnitten oder auf dem Meer errichten. So würden sie nicht mit anderen Interessengruppen (zum Beispiel der Landwirtschaft) um Flächen konkurrieren, wie das etwa bei Treibstoffen aus Ölpflanzen der Fall wäre. Aber eine industrielle Produktion ist mit lebenden Organismen gar nicht so einfach. Die Dichte der Kulturen, Luftzufuhr, Kontaminationen – viele Faktoren müssen überwacht werden, damit alles reibungslos funktioniert. Und sie benötigt Energie, die idealerweise aus erneuerbaren Quellen stammen sollte. Tatsächlich ließe sich der aus Algen gewonnene Wasserstoff selbst als Brennstoff und Energiequelle überall dort vermarkten, wo eine für flüssigen Wasserstoff erforderliche Infrastruktur vorhanden ist. Zum Produktlebenszyklus gehört aber nicht nur die Herstellung. Bis der globale Flugbetrieb letztlich weniger zur Erderwärmung beiträgt, müsste freilich auch der Transport dieses Treibstoffs zu den Flughäfen emissionsneutral werden.
Zoran Nikoloski ist seit 2017 Professor für Bioinformatik an der Universität Potsdam. Für das EU-Projekt „Alfafuels“ forscht er zu nachhaltigen Alternativen für fossiles Kerosin.
Die Cyano- oder Blaugrünbakterien sind ein- oder mehrzellige Lebewesen, die zu den ältesten Lebensformen der Erde zählen. Einige betreiben Photosynthese und produzieren blaugrünen Farbstoff, haben aber keinen echten Zellkern und sind mit den eigentlichen Grünalgen nicht verwandt.
Dieser Text erschien im Universitätsmagazin Portal - Zwei 2025 „Demokratie“.


